„Man is never truly one, but truly two“ – ein Zitat, was bis heute durch die Gänge der FOSBOS Aschaffenburg hallt. Ein Zitat, das den einen oder anderen sich wundern lässt, wer man nun wirklich ist. Zum ersten Mal hörten über 120 Schüler und Schülerinnen und Lehrkräfte diesen Auszug am 04.11.2024, als das bekannte „White Horse Theatre“ wieder einen seiner begeisternden Auftritte an der Schule hielt. Das „White Horse Theatre“ ist Europas größtes professionelles Tourneetheater mit Stücken auf Englisch und seine vielen Talente wurden auch dieses Mal unter Beweis gestellt.
Das Stück spielt im alten London, demnach sprachen und kleideten sich die Akteure, wie es in der damaligen Zeit üblich gewesen ist. Eingeleitet wurde es von einem elegant gekleideten Mann, der einen für ihn typischen Hut trug. Dieser übernahm die Rolle des Mr. Utterson und diente teils auch als Erzähler für das Publikum. Er zeigte der Schule ein grausames Erlebnis, das ihm an jenem Abend widerfahren ist. Er wurde Zeuge einer brutalen Auseinandersetzung, als ein wilder Mann auf eine unschuldige Dame eintrat. Dieser Mann stellte sich als Mr. Hyde heraus, eine kleine krumme Gestalt, getrieben von dunklen Gedanken und unkontrollierter Kraft. Gespannt beobachteten die Zuschauer und Zuschauerinnen das Spiel, bis sich Verwirrung im Saal verbreitete. Mr. Hyde wurde für seine Gräueltat zu einer Geldstrafe verurteilt, die er mithilfe eines Schecks begleichen wollte. Mr. Utterson kontrollierte sein Vorhaben und prüfte auch die Gültigkeit der Gutschrift. Zu seiner Verwunderung war alles legitim, doch ein Detail machte ihn stutzig. Die Unterschrift auf dem Scheck kannte Mr. Utterson, denn diese stammte nicht von Mr. Hyde, sondern von Dr. Jekyll. Dieser war ein berühmter Doktor und enger Freund Uttersons. Warum sollte eine so angesehene Person einer abtrünnigen Gestalt wie Mr. Hyde Geld leihen wollen? Diese Frage ging auch dem Publikum durch den Kopf. Gefesselt verfolgten sie das Geschehen, als Mr. Utterson nun vor dem Haus des Doktors stand und ihn zur Rede stellen wollte. Dort traf er aber zuerst auf die Maid des Hauses, die ihm mit unsicheren Worten vermittelte, dass tatsächlich auch ein Mr. Hyde im Haus wohnen würde. Mr. Utterson war zutiefst verwundert, schließlich kannte er Dr. Jekyll schon seit geraumer Zeit. Deswegen wurde er dann auch mit offenen Armen vom Doktor empfangen und sie tauschten sich über die Ereignisse aus.
Die Akteure zeigten bemerkenswerten Einsatz mit ihrer Körpersprache, Betonung und Mimik. So wurde dem Publikum auch schnell der Ernst der Lage klar und Dr. Jekyll verstand es auch. Dennoch gab er den Anschein, etwas zu verbergen. Die zwei Freunde verabschiedeten sich und Dr. Jekyll begab sich in seinen Keller. Den Requisiten nach zu urteilen, werden dort Medikamente gemischt. Harmlos, aber er vergewisserte sich, dass er unbemerkt und allein war. Bis … er es nicht mehr war. Aus dem Nichts tauchte eine schöne Gestalt im hellen Gewand auf. Sie sprach mit sanfter Stimme und tastete sich vorsichtig an Jekyll heran. Ganz im Gegenteil befand sich auch ein Abbild eines Dämons im Raum und schrie Jekyll mit dröhnender Stimme an. Er war in einem Kampf mit sich selbst, doch worum ging es? „Man is never truly one, but truly two“, gab Dr. Jekyll schweißgebadet von sich. Die schöne Gestalt versuchte, ihn zu besänftigen, doch der Dämon gewann schnell die Oberhand. Dieser umschlang Dr. Jekyll, verführte ihn, versprach ihm Kraft und schließlich gab der angesehene Doktor nach. An diesem Tag war es nicht Dr. Jekyll, der den Keller wieder verließ, sondern Mr. Hyde. Es war ein furchteinflößendes Schauspiel, Mr. Hyde trieb weiter sein Unwesen, Mr. Utterson war auf der Suche nach ihm, die Maid sorgte sich um Dr. Jekyll und dieser befand sich immer wieder in seinem inneren Kampf.
Das Publikum fand auch heraus, was sich noch in Jekylls Keller befand: ein spezieller von ihm angemischter Trank, der ihm helfen soll, die Fassung zu behalten. Waren denn nun Mr. Hyde und Dr. Jekyll die gleiche Person? An jenem Tag wurde Mr. Utterson ein Brief überreicht, in dem sich Mr. Hyde wohl für immer verabschiedete. Die Aufregung legte sich und Mr. Utterson fand endlich wieder ein freundliches Gespräch unter Freunden mit Dr. Jekyll. Doch diese Freude verschwand so schnell, wie sie gekommen war. Mr. Utterson zeigte nämlich den Abschiedsbrief Hydes einem anderen Bekannten, Dr. Lanyon. Sie inspizierte den Brief und ihre Augen weiteten sich. Mr. Utterson verstand ihren Schock nicht, bis er einen anderen älteren Brief von Dr. Layon bekam. Dieser war ein altes Anschreiben von Dr. Jekyll. Es war das gleiche Paradox wie damals mit dem Scheck. Die Handschrift Mr. Hydes war die gleiche wie die von Dr. Jekyll.
Etwas Schweres setzte sich in den Magen von Mr. Utterson und er begab sich sofort zum Haus seines Freundes. Wenn es noch sein Freund war. In der Schule war es totenstill. Keiner regte oder gab einen Laut von sich. Wenn man genau hinhörte, konnte man vielleicht sogar das pochende Herz Mr. Uttersons hören. Dieser war nun an seinem Ziel angekommen und wurde wieder von der Maid empfangen. Diese bat ihm verstört um Hilfe, denn sie meinte, sie kann Mr. Hyde aus dem Keller hören, in dem sich vor Kurzem noch Dr. Jekyll befand. Er verstand direkt, was zu tun war, und versuchte sich Zugang in den Keller zu beschaffen, doch dieser war versperrt. Er ließ sich eine Waffe von der Maid besorgen und brach gewaltsam in den Keller ein. Dort fand er tragischerweise nur noch den leblosen Körper seines einst geliebten Freundes Dr. Jekyll. Von Hyde keine Spur. Die Maid war entsetzt und brach zusammen, doch Mr. Utterson stand nur reglos im Keller. Wo war Hyde? Hat er seinen Freund ermordet und war geflohen? Aber es gab keine Fenster, keinen weiteren Ausgang, keine Möglichkeit zur Flucht. Bis es ihm klar wurde: „Man is never truly one, but truly two“.
Text: Gill Maidhof, 12QW
Copyright der Fotos: by White Horse Theatre, Fotograf René Golz