Ein besonderer Gast war kürzlich an der Beruflichen Oberschule Aschaffenburg zu Besuch: Das Zwölfstufen-Theater aus Kleinostheim brachte sein eindrucksvolles Stück „Weiblich geboren“ auf die Bühne – ein Theatererlebnis, das tief bewegte, erschütterte und zum Nachdenken anregte.
Grundlage des Stücks sind Texte der Autorin Emanuelle Delle Piane aus ihrer Sammlung „Variationen eines Themas: weiblich geboren“. In episodischer Form erzählt das Stück reale Geschichten von Frauen aus aller Welt – Geschichten von Unterdrückung, Ausgrenzung und Gewalt, denen Frauen einzig aufgrund ihres Geschlechts ausgesetzt waren und sind. Das Ensemble, bestehend aus Frauen und Männern unterschiedlichsten Alters und Hintergrunds, schuf mit seiner intensiven Darstellung eine Atmosphäre, die vielen der anwesenden Schülerinnen und Schüler der 12. Klassen des Fachs Soziologie unter die Haut ging.
Begleitet wurden die emotionalen Szenen von der gefühlvollen Gitarrenmusik Bernd Maiers, die die Wirkung der dargestellten Schicksale zusätzlich unterstrich. Der Funke sprang über – Gänsehautmomente, starke Emotionen, stille Betroffenheit und offene Gespräche unter den Schülerinnen und Schülern zeigten, wie sehr das Thema berührte und einen Nerv traf.
Ein weiterer Höhepunkt war das anschließende Gespräch mit den Schauspielerinnen und Schauspielern. Offen und persönlich berichteten sie von ihren Erfahrungen mit dem Stück, über Reaktionen des Publikums und über ihre eigenen Gefühle während der Proben und Aufführungen. Dabei überraschte besonders die Tatsache, dass das Ensemble immer wieder auf Ablehnung stößt – obwohl (oder gerade weil) das Stück ein so wichtiges und hochaktuelles Thema behandelt. „Nicht überall ist diese Thematik willkommen“, berichteten sie. Klischees, Vorurteile und verschlossene Türen begleiten ihren Weg – ein ernüchternder, aber umso wichtigerer Einblick.
Viele Schüler und Schülerinnen zeigten sich tief beeindruckt – teils aus Mitgefühl, eigener Betroffenheit oder aufgrund der erstmaligen bewussten Auseinandersetzung damit, mit welchen Herausforderungen viele Frauen zu kämpfen haben.
Umso mehr berührte das Zeichen der Hoffnung und Menschlichkeit, das die Schauspieler im Anschluss an ihre Darbietung setzten: Ansteckpins in Herzform wurden an die Schülerinnen und Schüler verteilt – ein symbolisches Geschenk, das sie entweder selbst behalten oder an einen Menschen weitergeben konnten, der ihnen am Herzen liegt. Ein kleines Zeichen mit großer Bedeutung – für Freundlichkeit, Mitgefühl und Liebe in einer oft harten Welt.
Vorbereitet wurde die Veranstaltung durch eine Kooperation mit dem Verein SEFRA e. V (Notruf und Beratung für Frauen), der im Vorfeld der Aufführung im Plenum über gesellschaftliche Probleme sprach, mit denen Frauen konfrontiert sind, und über die vielfältigen Unterstützungsangebote, die Betroffenen zur Verfügung stehen. In anschließenden Workshops konnten die Schülerinnen die angesprochenen Themen weiter vertiefen und eigene Gedanken und Fragen einbringen.
Die Berufliche Oberschule Aschaffenburg bedankt sich herzlich beim Zwölfstufen-Theater, bei SEFRA e. V. und bei allen Beteiligten für die aufrüttelnden, intensiven und nachhaltigen Eindrücke. Es war mehr als Theater – es war ein Erlebnis, das bleibt.
Barbara Ritter